Fallberichte: Erbstreitigkeiten

1

Der jüngere von zwei Brüdern hatte den väterlichen Hof geerbt. Der ältere Bruder griff das Testament des Vaters mit der Behauptung an, es sei gefälscht. In der Mediation  stellte sich aber bald heraus, dass es nicht um das Hoferbe an sich ging. Vielmehr hatte es bereits vor dem Tod des Vaters Verhandlungen zwischen den Brüdern gegeben. Dabei hatte der Ältere, ein sehr dominanter Typ, während einer Meinungsverschiedenheit dem Jüngeren – der schon als Kind der schwächlichere gewesen war – Gewalt angedroht. Der Jüngere hatte sich, dadurch geschockt, aus allen weiteren Verhandlungen zurückgezogen, mit der Folge, dass der Ältere, dem gewissen Zugeständnisse (landwirtschaftliche Flächen) bereits gemacht worden waren, den Bruder für wortbrüchig hielt und sich betrogen fühlte.

Nachdem dieses Streitgespräch als Auslöser gefunden war, legte die Güterichterin Wert darauf, die unterschiedlichen Verhaltensmuster der beiden Brüder (Angriff / Rückzug) herauszuarbeiten. Hilfreich war, mehrfach zu betonen, dass Geschwister eben sehr unterschiedlich in Charakter und Reaktionsweisen sein können. Der Perspektivenwechsel war zunächst mühsam zu vermitteln und stieß bei einem Anwalt zunächst auf wenig Verständnis („sind wir hier vor Gericht oder in der Psychotherapie?”); dann gelang es dem Älteren jedoch, sich in den Jüngeren hineinzuversetzen und dessen Verhalten nicht mehr als Vertrauensbruch, sondern als ängstlichen Rückzug zu verstehen.

Alle Beteiligten spürten nun, dass ein großer Schritt getan war. Sie baten um Unterbrechung; die Anwälte übernahmen auf dem Gang die Verhandlungen und präsentierten ca. 20 Minuten später eine Einigung, die dann im Plenum noch mit allen nötigen Details feinjustiert wurde. Das gesamte Erbe wurde aufgeteilt.

Beim Verabschieden bedankte sich der Ältere von der Güterichterin mit Tränen in den Augen und den Worten „Sie waren der Schlüssel”; der Anwalt des Jüngeren – der sich zeitweise „in der Psychotherapie” gewähnt hatte, brachte von sich aus zum Ausdruck, dass er das Vorgehen der Güterichterin nun verstanden habe.

2

Ein Miterbe klagte gegen den anderen auf Herausgabe eines (vermeintlich) ihm zugewendeten Autos. In der Mediation verständigten sich die Parteien über die vollständige Aufteilung des Nachlasses.

Auch bei Auskunftsklagen gelingt es oft, im Wege der Mediation sogleich die einvernehmliche Aufteilung des Nachlasses herbeizuführen.

3

Drei Brüder waren seit längerer Zeit in ungeteilter Erbengemeinschaft miteinander verbunden. Der Erbengemeinschaft gehörte im Wesentlichen das früher von den Eltern bewohnte, inzwischen nahezu abbruchreife landwirtschaftliche Anwesen. Ein Bruder wohnte in einem Einfamilienhaus auf einem neben dem Hof gelegenen, von den Eltern geschenkten Grundstück, die anderen lebten auswärts. Alle Brüder nutzen das elterliche Anwesen, um  im eigenen  Wald Brennholz zu machen, die auswärtigen Brüder insbesondere auch zur Wochenenderholung.

Einer der auswärtigen Brüder klagte gegen den am Hof lebenden auf Auskunft über die Verwaltung des Nachlasses und auf Rückzahlung eines entnommenen Betrages an die Erbengemeinschaft.

Der Güterichter zog zur Mediationsverhandlung im Einvernehmen mit den Prozessparteien den dritten Bruder hinzu. Dieser erwies sich  zunächst als im Lager des Klägers stehend. Im Laufe der Verhandlung entwickelte sich jedoch eine größere Nähe zwischen den Prozessparteien. Obwohl sich als übereinstimmendes Interesse aller drei Beteiligten die baldige Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft herausgestellt hatte, wurde hierfür keine Lösungsmöglichkeit gefunden. Keiner der Erben wollte oder konnte ausreichend Kapital aufbringen um die anderen Brüder auszuzahlen. Letztlich gelang lediglich ein den Prozess beendender Vergleich.

4

Miterben stritten um Nutzungsrechte an einem Grundstück sowie Nutzungsentschädigungen. In der Mediation einigten sich die Parteien, das Grundstück vermessen zu lassen und zu teilen, außerdem wurde eine umfassende Regelung zur Nutzung einschließlich des Abrisses von Gebäudeteilen getroffen. Der ursprüngliche Streit spielte keine Rolle mehr.

5

Nach dem Unfalltod eines sehr wohlhabenden Mannes meldete sich bei der Witwe eine frühere Partnerin des Verstorbenen und machte für ein bis dahin verheimlichtes, im Jahr der Eheschließung geborenes, inzwischen 13-jähriges Kind Erbansprüche geltend. Da die Witwe nach Ansicht der Kindsmutter diese Ansprüche nur unzureichend erfüllte, wurde eine umfangreiche Auskunfts- und Zahlungsklage erhoben. Das Gericht führte umfangreiche Beweisaufnahmen, mit Zeugenvernehmungen und Einholung von Bewertungsgutachten, durch. Nach dem Erlass mehrerer Teilurteile, die mit Rechtsmitteln bis zum BGH angefochten wurden, gelangte der Rechtsstreit nach fast 15 Jahren und mit einem Aktenumfang von fast 1700 Seiten (ohne Anlagen) an das erstinstanzliche Gericht zurück und von dort zur Güterichterin.

In einer zweitägigen Sitzung führte die Güterichterin einen umfassenden Vergleich mit einer erheblichen Abfindungszahlung an den klagenden Sohn herbei. In dieser Sitzung kam es zum ersten Mal zu einem persönlichen Kontakt zwischen dem mittlerweile erwachsenen Sohn und der Witwe.

6

Vier untereinander völlig zerstrittene Geschwister stritten sich seit Jahren in zahlreichen Konstellationen vor Gericht. Im Mittelpunkt stand der Streit um ein in die Erbmasse fallendes Haus, an dem die Tochter eines der Geschwister ein Wohnrecht hatte. Im Güterichterverfahren konnte im Wege einer Ablösung des Wohnrechts eine Einigung erzielt werden. Dies war nur möglich, da die anwesenden Ehegatten der Geschwister mäßigenden Einfluss geltend machten.

7

Im Zuge der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft waren Anteile an einem Mehrfamilienhaus aufzuteilen Eine Partei war dem Haus  emotional besonders verbunden, weil sie hierfür erhebliche handwerkliche Leistungen erbracht hatte. Sie brachte ein großes Fotoalbum zur Sitzung mit, um diese Leistungen zu demonstrieren. Die Einsicht in das Album und die Würdigung der Arbeiten leisteten einen wesentlichen Beitrag zur  einvernehmlichen Lösung.

8

Der Kläger und die beiden Beklagten sind Geschwister und Miterben. Sie befinden sich in heftigem Streit, was schon zu mehreren Zivil- und Ermittlungsverfahren geführt hat. Zur Erbmasse gehören u.a. 24 Grundstücke, darunter eine Mühle mit Wasserkraftwerk. Die Mühle wurde vom Kläger jahrelang allein betrieben. Mit der Klage verlangte er von den Miterbinnen insbesondere anteilig den Betrag, um den die Ausgaben des Mühlenbetriebs in den letzten Jahren die Einnahmen überstiegen.

In der Mediation deutet sich der Wunsch nach einer Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft an. Es fehlt jedoch an gegenseitiger Wertschätzung, an Offenheit und Kommunikationsbereitschaft. Erst durch Wachrufen der Erinnerung an die früheren Familienbande werden die Wogen leicht geglättet. Die Parteien verständigen sich auf eine Lösungssuche mit dem „Adjusted Winner-Verfahren“ (Parteien verteilen verdeckt 100 Punkte auf die zu verteilenden Grundstücke). Dies scheint gut zu klappen, denn an dem Hauptgrundstück (Mühle mit Wasserkraftwerk) hat nur der Kläger Interesse. Doch dann erklärt eine der Beklagten, dass sie dieses Grundstück nun doch unbedingt haben will.

Eine vom Güterichter nunmehr vorgeschlagene Erbschaftsteilung durch Versteigerung zwischen den Streitparteien scheitert zunächst daran, dass einzelne Grundstücke keiner der Erben will.  Der Güterichter schlägt daraufhin vor, dass die zwei Parteien, die das Grundstück am ehesten nehmen würden, nach dem Prinzip „einer teilt, einer wählt“ verfahren, wobei gewählt werden kann zwischen dem Grundstück einerseits und dem auf einen Zettel zu schreibenden (selbst geschätzten) Wert andererseits. Wird der Geldbetrag gewählt, muss der Teilende das Grundstück zu diesem Wertansatz nehmen, sonst umgekehrt.

Die Einigung gelingt. Nach der Niederlegung des Vergleichs kommt es nochmals zu einer Blockade, schließlich wird er doch genehmigt. Die Anwälte sind begeistert, weil sie eine Einigung für ausgeschlossen hielten.