Falleignung

Eine Verweisung vor den Güterichter sollte erwogen werden, wenn ein an der Rechtslage orientierter Richterspruch oder Prozessvergleich voraussichtlich nicht den wirklichen Interessen der Parteien gerecht würde und deren konflikthafte Beziehung nicht nachhaltig befrieden könnte, z.B. weil die dortige Lösung praktisch nicht oder nur mit erheblichen Belastungen umsetzbar wäre, auch der obsiegenden Partei (oder einem Dritten) Nachteile brächte, die Beziehung zwischen den Parteien endgültig zerstören würde usw. Wenn es denkbar erscheint, dass die Parteien im offenen Gespräch beim nicht entscheidungszuständigen Richter kreative, zukunftsorientierte Lösungen entwickeln können, sollte ihnen diese Chance eröffnet werden.

Kriterien für eine Verweisung vor den Güterichter:

  • zwischen den Parteien besteht eine (erhaltenswerte) Beziehung persönlicher oder geschäftlicher Art
  • der Rechtsstreit betrifft nur einen Teil der konfliktbehafteten Parteibeziehung
  • weitere Prozesse zwischen den Beteiligten sind anhängig oder angekündigt
  • der Rechtsstreit ist Ausdruck einer tiefgreifenden Beziehungsstörung
  • der Konflikt lässt sich auf Kommunikationsdefizite im vorprozessualen Stadium zurückführen
  • die streitige Prozessführung ist mit erheblichen Unwägbarkeiten (z.B. unklarer Beweislage,  Auslegungsfragen) behaftet
  • die Realisierbarkeit des mit der Klage erstrebten Ziels erscheint fraglich (z.B. wegen drohender Zahlungsunfähigkeit des Beklagten)
  • eine umfassende Konfliktlösung erfordert die Einbeziehung nicht am Prozess beteiligter Personen
  • der Rechtsstreit hat sich in Nebenkonflikte zersplittert, deren Aufarbeitung erheblichen Zeit- und Kostenaufwand verursacht
  • die Öffentlichkeit der Verhandlung beim Prozessgericht steht einer offenen Sachverhalts- und Interessenerörterung entgegen
  • schwierige Vergleichsverhandlungen können unter den Rahmenbedingungen des Güterichterverfahrens mit größerer Erfolgsaussicht geführt werden

Gegen eine Verweisung vor den Güterichter sprechende Umstände:

  • erkennbares Interesse der Parteien an einer rechtlichen Klärung ihrer Streitfrage
  • Interesse des Klägers an rascher Titulierung eines klaren Rechtsanspruchs
  • Anhaltspunkte für unlautere Machenschaften
  • mangelnde Kommunikationsfähigkeit einer Partei
  • erhebliches Ungleichgewicht der Verhandlungsstärke
  • psychische Auffälligkeiten (z.B. querulatorische Tendenz)
  • tiefgreifende Störung auf der emotionalen Ebene (z.B. in einem stark belasteten Trennungskonflikt): hier sollte die Bereitschaft zu einer außergerichtlichen Mediation (§ 278a ZPO) geweckt werden