Güterichterverfahren – weiterhin ein Stiefkind der Justiz

31.08.2021

Auch 2020 ist die Zahl der Güterichterverfahren weiter zurückgegangen. Die Rechtspflegestatistik des Statistischen Bundesamts weist für alle Gerichtsbarkeiten zusammen 15.061 Prozesse aus, in denen eine Verweisung vor den Güterichter stattgefunden hat (im Vorjahr waren es 17.385). Damit setzt sich der seit Jahren zu beobachtende Trend fort (s. Tabelle 01). Da die Eingangszahlen bei den Zivilgerichten (abgesehen von den kaum güterichtergeeigneten Diesel-Fällen) generell zurückgehen, kann nicht festgestellt werden, ob und inwieweit die Inanspruchnahme des Güterichterverfahrens durch die Pandemiesituation beeinflusst worden ist. Jedenfalls ist positiv zu vermerken, dass trotz der dadurch bedingten Erschwernisse in erheblicher Zahl Güterichterverhandlungen durchgeführt werden konnten.

Das Hauptproblem scheint weiterhin in der mangelnden Erkenntnis von Sinnhaftigkeit und Werten dieses Verfahrens zu liegen – oder auch in der unterschiedlich entwickelten Bereitschaft der Gerichte, sich innovativen Formen der Prozesskultur zu öffnen. Noch immer liegt die Verweisungsquote in den meisten Verfahrensarten weit unter 1 Prozent (d.h. nicht einmal jedes hundertste Verfahren gelangt zum Güterichter) und sie nimmt von Jahr zu Jahr weiter ab (s. Tabelle 02).

Zudem ist die Verweisungspraxis weiterhin höchst unterschiedlich (vgl. die Zusammenstellung für die Landgerichte 1. Instanz in Tabelle 03). Während in Mecklenburg-Vorpommern über 14 Prozent der landgerichtlichen Zivilprozesse zum Güterichter gelangen und in Niedersachsen und Berlin immerhin noch 4,3 bzw. 3,3 Prozent, haben die Landgerichte in Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Hamburg und im Saarland den Parteien diese Chance der gütlichen Konfliktbeilegung nur in etwa 0,1 bis 0,3 Prozent der Verfahren eröffnet – ein unter dem Aspekt der Gleichheit vor Gericht äußerst bedenklicher Umstand.