Weiterhin eklatante Unterschiede bei der Güterichterverweisung

22.08.2023

Auch 12 Jahre nach der gesetzlichen Einführung des Güterichterverfahrens wird von dieser Möglichkeit, besonders belastende Rechtsstreitigkeiten mithilfe alternativer Methoden der Konfliktbeilegung rasch und interessengerecht zu lösen, nur in relativ geringem und  – vor allem –  höchst unterschiedlichem Umfang Gebrauch gemacht. Der soeben veröffentlichten Statistik des Statistischen Bundesamts zufolge waren von den 2022 erledigten Zivilprozessen an den Güterichter verwiesen worden:

bei den Amtsgerichten                                0,61 Prozent

bei den Landgerichten 1. Instanz              2,02 Prozent

bei den Landgerichten 2. Instanz              0,49 Prozent

bei den Oberlandesgerichten                      0,34 Prozent

Diese Quoten bewegen sich in etwa derselben Höhe wie in den Vorjahren.

Dasselbe gilt für die erheblichen, schwer nachvollziehbaren Unterschiede zwischen den Bundesländern. Während bei den Amtsgerichten in Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen nur ganz vereinzelt an den Güterichter verwiesen wurde, waren es in Mecklenburg- Vorpommern 3,47 Prozent der erledigten Verfahren. Selbst innerhalb eines Landes gab es erhebliche Unterschiede: So gab es bei den Amtsgerichten im OLG-Bezirk Stuttgart nur 19 Verweisungen (Quote: 0,05 Prozent), im kleineren OLG-Bezirk Karlsruhe 381 (1,2 Prozent), von denen 60 Prozent mit einer Einigung beendet werden konnten.

Bei den Landgerichten weist Mecklenburg- Vorpommern mit über 15 Prozent eine extrem hohe Verweisungsquote auf, während Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland mit weniger als 0,5 Prozent total aus dem Rahmen fallen. Und in Baden-Württemberg ist das Verhältnis zwischen den OLG-Bezirken Stuttgart und Karlsruhe bei den Landgerichten gerade umgekehrt: Hier liegt Stuttgart mit einer Verweisungsquote von 1,1 Prozent deutlich vor Karlsruhe mit 0,29 Prozent. Dafür ist die Einigungsquote im Stuttgarter Bezirk mit 29,6 Prozent sehr niedrig, im Karlsruher mit 79,2 Prozent exorbitant hoch (im bundsesweiten Durchschnitt liegt sie bei 47,5 Prozent).

Bei den Oberlandesgerichten ist die Quote der Güterichterverweisungen wie in den Vorjahren mit 0,34 Prozent sehr niedrig. Hier stechen lediglich Rostock (2,61 Prozent), Braunschweig (1,52 Prozent), Kiel (1,51 Prozent) und Berlin (1,37 Prozent) positiv hervor. An den OLG Bremen, Zweibrücken, Saarbrücken und Jena wurde in keinem einzigen Fall an den Güterichter verwiesen, an den meisten anderen nur ganz vereinzelt.

Die Verweisung vor den Güterichter steht zwar im Verfahrensermessen des erkennenden Gerichts. Von einer sachgerechten Ausübung dieses Ermessens kann angesichts dieser Statistik aber nicht die Rede sein. Es ist unverständlich, dass diese krassen Unterschiede in der Rechtsschutzgewährung seit Jahren tatenlos hingenommen werden.

Tabellarische Übersicht (auch zur Situation in den Fachgerichtsbarkeiten) unter GR-Statistik 2022.